Digitalisierung made in Germany

Immer mal wieder beschäftigen wir uns mit DAB+. Klingt auf dem Papier toll. Die Realität ist ernüchternd.

Wer sich in diesen Tagen ein neues Auto kauft, bekommt nahezu zwangsweise als Grundausstattung ein Radio mit DAB-Empfänger. Wer seinen Lieblingssender dort einstellt – muss wahrscheinlich ein öffentlich-rechtlicher sein, „Private“ finden bis auf einige sehr spezielle Spartensender nicht statt – und losfährt, bekommt ein praktisches Beispiel für den Begriff „Digitalisierung“. Er wird gern und häufig von Politikern und Granden des öffentlich rechtlichen Rundfunks in den Mund genommen, auf die Frage „wann und wie“ wird es nebulös oder auf intensive Gespräche verwiesen.

So wie das Versprechen des „schnellen Internet für alle“ seit ungezählten Wahlen versprochen wird und trotzdem noch Millionen länger auf Übertragungsbalken als auf Inhalte schauen, ist das DAB-Radio im Auto weniger Fort- mehr Rückschritt. Denn „knisterfrei“ ist nur toll, wenn es mehr ist als „absolute Stille“. Die stellt sich spätestens spontan ein, wenn ein öffentlich-rechtliches Sendegebiet verlassen und in ein anderes eingefahren wird. Um dem Radio wieder irgendwelche digitalen Klänge zu entlocken, hilft nur ein Stopp auf dem Rastplatz, damit sich das Radio das aktuelle DAB-Senderbouquet ziehen kann. Fahrenderweise will das typischerweise nur schwer bis gar nicht gelingen. Weil die Radios das (soweit uns bekannt) nicht vollautomatisch machen, ist es darüber hinaus ein Gebot der Fahrsicherheit, das nur im stehenden Fahrzeug zu machen.

Wie viele dieser Bouquets es gibt und ob sich DAB-Radios die sich bei erneuter Fahrt automatisch aufrufen können, ist unklar. Im „Selbstversuch“ ist es nicht gelungen. Das lässt sich jedoch nicht generalisieren – mag sein, dass andere Radios als das verfügbare das schaffen. Klar ist jedoch, dass die in Berlin eingestellten Sender weniger „Überreichweite“ haben, als auf den UKW-Frequenzen, die demnächst abgestellt werden sollen. Wobei es offenbar keine „reinen“ DAB-Radios gibt; alle können noch UKW empfangen. Was häufig notwendig ist, wenn „private“ Sender die Fahrt verschönern sollen. Die bleiben oft sogar quer durch die Republik „drin“ – so sie eine flächendeckende Lizenz haben. Oder der automatische Suchlauf findet die regionale Frequenz in wenigen Sekunden.

Bei DAB sieht das ganz anders aus. Wer als Exilschwabe in Berlin mit SWR3 startet, muss mindestens drei Bundesländer durchqueren, bis er diesen Sender wieder empfangen kann. Der Umstand, dass es in Berlin nur öffentlich-rechtliche Fremdsender aus Bayern, Schwaben und Nordrhein-Westfalen gibt, umgekehrt z.B. in Bayern keinen einzigen, oder es in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen keinen und vier weiteren Bundesländern lediglich einen regionalen „privaten“ Sender gibt, verdeutlicht, was mit „Digitalisierung für alle“ gemeint ist: jeder kriegt was. Halt nicht alle das Selbe. Der eine mehr, der andere weniger.

Letzterer kann sich womöglich glücklich schätzen, denn bei manchem der privaten Anbieter begreift man, was mit „weniger ist mehr“ gemeint sein könnte. Weil die Qualität zwischen den öffentlich-rechtlichen Angeboten ebenso schwankend ist, gibt es digitale Dürregebiete in der Republik, die sich – aufgrund der fehlenden Digitalisierung (=vernünftige Internet-Geschwindigkeit) nicht mal per Streaming aus dem Internet berieseln lassen. Denn wenn man in die verheißungsvolle Karte des Breitbandatlas unseres Innenministeriums hineinzoomt, werden selbst oberflächlich gelbe Bereiche (>95% Versorgung), mit reichlich blauen Feldern (0 - 10% Versorgung) durchlöchert oder ganze Bereiche bekommen gar keine Farbe zugweisen. Da ist definitiv digitale Wüste. Solche Wüsten gibt es beispielsweise bei genauerem Hinsehen im – in der generalisierenden Ansicht – „gelben“ Berlin ziemlich viele.

Was mal wieder zeigt: wer wie Politiker und Intendanten weit genug von der Realität weg ist, für den ist die Welt bunt, auf dem Boden der Tatsachen ist es deutlich trister. Was indirekt Wahlergebnisse erklären kann. Denn wer jahrelang in der Tristesse nur Sprüche ohne Taten serviert bekommt, wird empfänglicher für Seelenfänger, die genau das anprangern.

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