Es geht los

Nachdem nun etwas über ein Jahr mit dem neuen Rundfunkbeitrag ins Land gezogen ist, haben auch die Zögerlichen festgestellt, dass etwas Unbestelltes Ihnen ordentliche Löcher in die Taschen reißt.

Das neue Kostenmodell der Rundfunkbeiträge beachtet ein wichtiges psychologische Detail. Die öffentlich rechtlichen Nachrichten werden typischerweise von Privatleuten gesehen, für die sich augenscheinlich nichts verändert hat. Die Probleme der gewerblichen Kunden des Beitragsservice werden nicht thematisiert, also finden sie nicht statt.

Das von dieser Gruppe aufgrund von Mitarbeiterstaffelung und drastisch erhöhten Kosten für Fahrzeuge zwangsbeigetriebene Geld soll nun über eine Beitragssenkung an alle ausgeschüttet werden, was den Privathaushalten mutmaßlich wurscht ist und für die geschröpften Gewerbetreibenden keine wirkliche Entlastung bringt. Wobei der vorgeschlagenen Senkung von 73 Cent bereits von den Ländern heftig widersprochen wird. Dazu nur nochmal kurz die Zusammenhänge: Vom Staat unabhängiger Rundfunk, die Kontrolle haben aber die Länder und dort sitzen häufig die Ministerpräsidenten im Aufsichtsrat der Landesrundfunkanstalt, die auch wieder im Bundesrat sitzen und dann gemeinsam über die Beiträge abstimmen. Wie die Parlamente über die Gehälter ihrer Mitglieder. Natürlich völlig objektiv und nicht von eigenen Interessen getrieben.

In Bremen haben Richter vor kurzem entschieden, dass der neue Beitrag keine Steuer sei, eines des bisher häufigsten Arguments der Gegner, uns eingeschlossen. Mit etwas Abstand betrachtet ist die Erklärung der Richter Wortklauberei und die Argumentation der Gegner die nackte Verzweiflung. Denn wie der Rundfunkbetrag in der aktuellen Form verwaltungsrechntlich betrachtet wird, ist die eine Seite. Für den Bürger ist es staatlich sanktionierte Wegelagerei, bei der die Rundfunkanstalten pro Bürger gleich mehrfach die Hand für den Wegzoll hinhalten. Wobei es da groteske Ausnahmen und Forderungsbegründungen gibt. Es ist für einen gesunden, mit durchschnittlicher Intelligenz ausgestatteten Bundesbürger nicht nachvollziehbar, weshalb beispielsweise ein Traktor kein gewerbliches, beitragspflichtiges Fahrzeug sein soll, während der private PKW einer Sektretärin, die gelegentlich damit die Post auf dem Heimweg wegbringt, als beitragsplichtig angesehen wird.

Ob das von den Bremer Richtern bemühte Verwaltungsrecht sich dem Grundgesetz verweigern darf, weil es im aktuellen Beitragsgesetz offenkundige Klientel-Politik gibt (s. Traktoren), ist eine noch unbeantwortete Frage, die den Richtern so nicht gestellt wurde. Weshalb der Entscheid gegen die Klage ausfiel, wahrscheinlich ausfallen musste. Denn andernfalls würden diverse Gemeindegebühren womöglich unter dem Blickwinkel, dass Pauschalierung mit Steuer gleichgesetzt werden könnte, mit einer Klagewelle aus den Amtsstuben gespült.

Die Klage zweier Verbände erscheint diesbezüglich vielversprechender. Denn hier klagt kein Privatmann wegen der laufenden Kosten für seine Wohnung, sondern Verbände gegen die eigenwillige Auffassung der Rundfunkanstalten, dass für Menschen, die bereits privat Rundfunkbeitrag zahlen, bei den Arbeitgebern nochmals Beiträge erhoben werden. Die Neuregelung soll doch die Privatleute von allen weiteren Ansprüchen befreien! Inkl. beliebig viele Smartphones, Autos, Fernseher pro Haushalt! Da fällt dann doch wohl auch das Radio drunter, dass ich mir an den Arbeitsplatz stelle oder in meinem Dienstwagen einschalte. Denn mein Smartphone in der Hosentasche ist ja auch abgegolten. Es kann ja wohl schlecht möglich sein, dass in ein und der selben Umgebung (Auto) sowohl kostenpflichtige als auch bezahlte Geräte gleichzeitig sein können. Das ist paradox.

Außerdem bezahlt mich mein Arbeitgeber nicht für Radio hören oder gar Serien schauen, sondern für meine Arbeitsleistung. Die speziell bei Letzterem drastisch sinken würde. Warum muss er also für mich oder meinen Firmenwagen nochmal Beitrag zahlen? Der vermeintlich gewährte Rabatt täuscht darüber hinweg, dass hier ein Nachlass auf etwas grundsätzlich nicht Nachvollziehbares gewährt wird. Das ist in etwas so, als ob mich ein stadtbekannter Schläger damit tröstet, er habe heute nicht viel Zeit, deshalb gäbe es nur fünf- statt zehnmal eins auf die Zwölf.

Die runde Milliarde, die aufgrund der Neuregelung bei den Rundfunkanstalten angespült wird, fällt nicht vom Himmel. Sie muss erwirtschaftet werden. Von den Unternehmen und dort durch die Mitarbeiter. Die spüren das zwar nicht unbedingt direkt im eigenen Geldbeutel, aber jeder muss ein bisschen mehr leisten als er bezahlt bekommt, damit die Rundfunkanstalten den wachsenden Geldwanst streicheln können. Die schiere Masse Geld und der damit betriebene Aufwand der öffentlich-rechtlichen Anstalten lässt sich im Vergleich gegenüber dem Sendeangebot diverser Privatsender immer schwerer nachvollziehen. Denn wenn die Privaten so schlecht sind — wie uns die Eigenwerbungen von ARD und ZDF suggerieren möchten — stellt sich die Frage, weshalb von dort Scharenweise das Personal abgeworben und die Formate kopiert werden. Hier verwechseln die öffentlich-rechtlichen Sender offenkundig, dass Ihr Auftrag Qualität ist, während man sich immer mehr auf die Quote konzentriert. Dass man die viel billiger haben kann, beweisen die Privatsender. Wenn es also darum geht, muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob öffentlich-rechtlicher Rundfunk überhaupt noch in die neue Rundfunklandschaft passt, weil der Auftrag nicht mehr erfüllt wird. Denn eine Erklärung, was an einer Sendung über Essenmachen der ARD oder des ZDF — mit identischem Personal! — qualitativ höherwertig sein soll, als bei RTL & Co., hat bisher niemand aus den Etagen der beitragsfinanzierten Sender geliefert. Einzig der Umstand, dass diese Sendungen typischerweise nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden, könnte ein Indiz dafür sein. Zu gut für´s Publikum. Oder eben einfach am Publikum vorbei und schlecht nachgemacht. Denn völlig Blöde sind wir Zuschauer und -hörer — trotz oder gerade aufgrund der alternativen Angebote zum Staatsprogramm — halt doch nicht.

Daher bewerten wir das Urteil aus Bremen zwar als sachlich womöglich richtig, der Sache selbst jedoch wenig dienlich. Natürlich werden sich die Saatssender wehren und natürlich wird es noch eine Weile dauern, denn solche Wege sind lang. Aber der Gegenwind für die öffentlich-rechtlichen Anstalten nimmt zu. Wenn man bedenkt, dass unser Rundfunkmodell sich an der BBC anlehnt, könnte man vorsichtig unterstellen, dass sich dann eine ähnliche Entwicklung abzeichnen könnte. In England gab und gibt es wegen der BBC bereits seit längerem Diskussionen. Ob unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk bei einer im verlinkten Artikel beschriebenen Umfrage ebenso mit einem blauen Auge davon käme, ist eine unbeantwortete Frage. Warum es diese Umfrage in Deutschland nicht gibt, möge sich jeder selbst beantworten.

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