Aufstand der Recht-Schaffenden

Ein Richter und ein Rechtsanwalt schreiben einen gemeinsamen Aufsatz über ihre Rechtsauffassung zum Thema „Rundfunkbeitrag“. Sie verwenden dafür feinste juristische Formulierungen und Begriffe. Das Ergebnis lässt sich für Normalsterbliche kurz zusammenfassen: Haben wir von Anfang an gesagt.

Der erste Absatz des Artikels1 «Der neue „Rundfunkbeitrag“ — eine verfassungswidrige Reform» ist eine klare Ansage. Das letzte Wort — „verfassungswidrig“ — unterstreicht den Titel. Es rückt den feuchten Traum der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten nachdrücklich dorthin, wo wir ihn bereits sehr lange sehen. Die mehrseitige, für „Normale“ schwer lesbare Ausarbeitung mit reichlichen Querverweisen in die Rechtsliteratur untermauert, was wir aus dem Bauch heraus von Anfang an als „falsch“ einstuften.

Die Autoren (Richter Dr. Thomas Exner,Montabaur, Rechtsanwalt Dennis Seifarth, München) beleuchten sehr detailreich die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrags mit dem Grundgesetz. Sie mahnen dabei an, dass insbesondere den privaten Haushalten eine Lobby fehlt, die sich angemessen ihrer Interessen annimmt. In diese Feststellung lässt sich hineininterpretieren, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten offenbar etwas ganz Entscheidendes systematisch ignorieren: Eigentlich sollen sie die Lobby für Minderheiten sein. Das ist ein zentraler Kerngedanke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Autoren sehen die Informationsfreiheit der privaten Haushalte durch den zwangsweise und unvermeidbar erhoben Beitrag in seinen Grundfesten erschüttert. Denn — vereinfacht formuliert — ist es dem neuen Staatsvertrag folgend ausreichend, wenn ich in einer Wohnung lebe. DASS ist der Grund dafür, dass ich Rundfunkbeitrag zahlen muss. Wobei das Grundrecht auf Wohnraum und die zugesicherte Unverletzlichkeit für den Einzelnen damit angegriffen wird.

Denn ich kann zwar meine Wohnung zur „rundfunkfreien Zone“ erklären, muss aber dennoch etwas finanzieren, was ich — warum auch immer — eigentlich gar nicht will. Ich kann mich dem nicht entziehen, es sei denn, ich wandere aus. Der Aufsatz sieht in der als „Beitrag“ beschönigten Zwangsabgabe eine «voraussetzungslose Steuer». Steuern sind jedoch dem Staat vorbehalten. Ein Problem für den „staatsfernen Rundfunk“. Daher ist der Kunstgriff „Beitrag“ so wichtig für die Anstalten. Alles andere wäre sofort in der Luft zerrissen worden. Die Belastbarkeit der Annahme, dass ein Wohnraum typischerweise automatisch ein Rundfunkgerät beinhaltet, wird zwar in seinen Grundzügen als nicht zwingend falsch, in seiner Auslegung aber als fragwürdig eingestuft.

Das sei in etwa so, als wenn man Hundesteuer für Katzen zahlen müsse. Allerdings fordere der Gesetzgeber irgendeinen „inneren Zusammenhang“. Aus einer Wohnung liese sich auf dieser Grundlage schwerlich ein Rundfunkempfangsgerät machen. Die damit verbundenen Ungerechtigkeiten der Beitragserhebung werden ebenfalls ausführlich dargelegt und die Widersprüchlichkeit, dass eine stationäre Wohnung deshalb beitragspflichtig wird, weil ich mich mit einem Mobiltelefon darin aufhalten kann2.

Es wird mit erschreckender Deutlichkeit herausgearbeitet, dass das neue Beitragsmodell eine außergewöhnlich große Ungerechtigkeit darstellt. Dabei zielen die Autoren weniger auf die teilweise hanebüchenen Regularien für gewerbliche Beitragszahler ab3. Sie finden bereits für die Haushalte hinreichende Gründe, die das vorhergehende Gebührensystem gegenüber dem Beitragskonzept — bei allen bekannten Schwächen (!) — richtig gut aussehen lassen. Wir dürfen also sehr gespannt sein, wass uns das nächste Beitragsjahr bringt — neben einer angekündigten, aber noch immer nicht verbindlich bestätigten Beitragssenkung. Die wir noch lange nicht so sicher erwarten, wie es manche Journalisten in ihre Berichte schreiben.


  1. NVwZ Heft 24/2013, 15. Dezember 2013, Eröffnungsartikel, C.H. Beck Verlag

  2. Detaillierter darauf eingehen würde hier den Rahmen sprengen. Aber die Autoren haben sehr aufmerksam gelesen, gefolgert und belegt.

  3. Wenn Susi Müller gelegentlich die Firmenpost im Auto mitnimmt, um sie im Briefkasten vor dem Haus einzuwerfen, fährt sie ein beitragspflichtiges, «gewerbliches Fahrzeug». Der Traktor von Hein Schlau, der damit seinen Lebensunterhalt erwirtschaftet, ist allerdings keins.

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Kommentar von Mitleser |

ja, wer hätte das gedacht.
Aber wie wollen wir denn das alles finanzieren?!?! Ohne die ganzen Sender gehen wir doch zu Grunde...? Der schöne Auftrag: Grundversorgung.

Antwort von Norbert Simon

Die (hoffentlich formulierte) Ironie ist zwar angekommen, in diesem Kontext jedoch gefährlich. Sie strahlt Resignation aus, die wir nicht teilen. «Der schöne Auftrag: Grundversorgung» ist das akute Dilemma: Wen der Zahlungsempfänger die „Grundversorgung“ definiert, ist dieser Begriff völlig ausgehöhlt.

Kommentar von Mitleser |

doch, doch, sie, die Ironie, strahlt Resignation aus. Es ist ja nicht nur die überhebliche Umsetzung einer "Grundversorgung", es ist das ganze... wart, ich schreib lieber: das Ganze

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