Mit Absicht schlechter?

Die massive Werbung für Digitalradio der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist uns schon öfters aufgestoßen. Jetzt haben wir uns aufgerafft und einen Selbstversuch gestartet. Ist das wirklich so viel besser?

Im Zeitalter des Internets und immer potenterer Mobiltelefone mit schnellem Internet­anschluss – zumindest der Werbung nach – erscheint die digitale Aufrüstung der staatlich protek­tionierten Anstalten wie ein Anta­gonis­mus. Wozu soll ich mir noch ein weiteres Gerät anschaffen, mit dem ich gebühren­pflich­tige Angebote empfangen kann? Gibt´s da keine App? Im Internet kann ich doch die Programme der Sender empfangen. Im Gegensatz zur Hardware für den DAB-Empfang bekomme ich da außerdem viel, viel mehr Stationen. Soweit richtig. Allerdings hat das Inter­net für die Staats­sender und die dafür Zustän­digen einen großen Haken: Da ist man einer von vielen. Der Lösungs­ansatz folgt dem klas­sischen Reflex: leg´die Hürde höher und schaff´dir so die lästige Kon­kur­renz vom Hals.

Ein Blick auf die Radio­sender-Landschaft im Internet und ein Vergleich der technische Qualitäten wirft unweigerlich die Frage auf, warum es einen klanglich deutlich hörbaren Unterschied zwischen dem Programm im Internet und dem über DAB ange­bo­ten­en Sendungen gibt. Dass das nicht not­wen­diger­weise so sein muss, zeigen diverse Programme nicht­staat­licher Anbieter. Das klingt, als stünde man daneben. Beim Angebot der Sub­ven­tions­em­pfän­ger klingt es häufig so, als stünde die Kombo in einem Eimer und trötet die Blech­wand an.

Frap­pierend wird es, wenn der PC, auf dem der Internet-Empfang statt­findet, versuchs­weise ein DAB-Empfänger werkelt – also ein mehr oder nochmehr teures Zusatz­gerät für den Empfang einer sehr über­schau­baren Anzahl Sender. Im Raum Braun­schweig (Test­gebiet) sind das:

90elf, absolut relax, Deutschlandfunk, DKultur, DRadio DokDeb, DWissen, ENERGY, ERF Plus, KISS FM, Klassik Radio, LoungeFM, NDR 1 NDS, NDR 2, NDR Info Spezial, NDR Info, NDR Kultur, NDR Traffic, NDR-Blue, N-Joy, RADIO BOB!, Radio Horeb, sunshine live.

Zumindest sind das die Sender, die das kosten­pflichtige Zusatz­teil findet. Ohne tiefer­gehen­de inhalt­liche Aus­ein­ander­setzung mit diesem Angebot fällt auf, dass von 22 Sendern mindestens 12 direkt erkennbar zwangs­sub­ven­tion­ierte Angebote sind. Einen (90elf) gibt es – der Web­seite zufolge – gar nicht mehr, es wird aber noch – von wem auch immer – etwas über­tragen. Bleiben 21, zwei sind kon­fes­sionelle Sender. Bleiben 19, von denen einige bei genauerem Zuhören lediglich Schnipsel­verwer­tung des Haupt­senders machen. Un­erreich­baren Mini­mal­ismus bietet NDR-Traffic, bei dem eine Computer­stimme Verkehrs­meldungen vorliest und in einer Dauer­schleife darauf hingewiesen wird, dass das gerade NDR Traffic ist, was da auf einem vor sich hin­plätsch­ern­den Klang­tep­pich passiert. Originäre Programme gibt es also noch weniger.

Zugegeben: Das, was kommt, kommt gut. Den Unterschied von (beispiels­weise) NDR 2 als „Live­stream“ von der Web­seite mit der Qualität des DAB-Empfangs hören selbst ungeübte Ohren. Wobei mit Qualität in diesem Kontext aus­schließ­lich der Klang bewertet wird. Ob es den dafür erfor­der­lichen Mehr­auf­wand und vor allem die damit ver­bun­den­en Mehr­kosten recht­fertigt, ist die eine Frage. Eine andere ist, warum das Angebot von NDR 2 so offen­sicht­lich schlechter klingt. Wird hier womöglich mit Absicht eine schlechtere Daten­rate verwendet, damit zumin­dest ein mar­gina­les Verkaufs­argu­ment für DAB bleibt? Wobei hier an­ge­merkt werden muss, dass das nur im Vergleich auffällt. Ohne direkten Vergleich ist das, was da aus dem Internet heran­flutet, zwar nicht audio­phil, aber als Hinter­grund­ge­plätsch­ere völlig aus­reichend. Weil es eh kaum jemand für etwas anderes verwendet, erscheint die Kosten­schlacht der öffent­lich-recht­lichen Anstalten für DAB um so fragwürdiger. Würden die Millionen, die in den DAB-Ausbau gesteckt werden, in eine vernünftige Internet-Über­tra­gung gesteckt, wäre das nicht zur ressourcen­schonend, es wäre auch zeit­gemäß.

Analog abschalten um statt­dessen einen anderen, propri­etären Über­tragungs­weg zu etablieren, ist bei genauerer Betrachtung reine Groß­manns­sucht. Darüber hinaus wird hier viel Geld dafür ausgegeben, damit die Radio­hörer im Er­geb­nis weniger haben, denn die regio­nalen Ange­bote finden im DAB nicht statt. Das ist relevant, denn den Markt teilen sich NDR, ffn, Hit-Radio Antenne RTL und Radio 21. Wobei diese Zahlen nur bedingt belast­bar sind. Das Logo lässt erkennen, wer hinter der Erhebung steht.

Reichweiten-Rechnen: Die Summe ist kleiner als ihre Teile

Für 2013 wird dort als „Radio gesamt“ die Zahl „58.218“ aus­ge­wiesen, als „ARD gesamt“ zählt man „38.942“ und als „Private gesamt“ inte­res­sant­er­weise „32.482“. Interes­sant deshalb, weil die beiden Teile zusammen (38942 + 32482=) 71.424 ergeben. Das sind rund 20% mehr als die voran­gestellte Gesamt­zahl. Aber die Rechnen­kom­peten­zen der Bei­trags­sender wurden hier ja schon öfters thematisiert (z.B. mit der Suche Beiträge mit „Rechnen“ ermitteln). Wessen Ergebnis sich dadurch verschlech­tert, könnte man jetzt unter­stellen, was wir aber selbst­verständlich nicht tun.

Noch fataler ist jedoch, dass die kleinen Regional­sender (OkerwelleBWR) damit mittel­fristig von der Radio­land­karte gedrängt werden (sollen?). Erst wird der Klang schlechter, dann die freie Infor­mations­ver­sorgung — ist das die Aussicht? Ein Grund mehr, um DAB einen Bogen zu schlagen.

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