Auswahl relativiert den Wert

Von den Betroffenen in der ersten Reihe und den zweiäugigen Bessersehern unkommentiert sind ARD und ZDF in Belgien aus dem Angebot geflogen und wurden durch RTL, Sat.1 und ProSieben ersetzt. Die öffentlich rechtlichen waren zu gierig. Jetzt sollen die Probleme des staatsfernen Fernsehens von der Politik gerichtet werden.

Zugegeben. 1 Millionen Euro ist für rund 57.000 Haushalte ein Schnäppchen (überschlägige Schätzung aus den Angaben). Die entsprechende Anzahl deutsche Haushalte zahlt dafür rund das 12-fache. Da sind 500.000 EUR — zumindest aus der Eigenwahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Anstalten — schlicht inakzeptabel. Wobei bei den öffentlich-rechtlichen Entscheidern offenbar unterschätzt wurde, dass die Wertschätzung für ein Angebot von Menschen, die eine Wahl haben, eine andere sein könnte. Der durch Zwangs­abgaben finanzierte Rundfunk in Deutschland hat auch für uns unstrittige Qualitäts­merkmale. Allerdings haben wir ebenfalls unsere Not mit dem dafür vergebenen Preisschild, dass uns in selbstgefälligen Spots der Art „das alles für 15 Cent“ schmackhaft gemacht werden soll. Wobei derartige Spots der offenkundigste Beleg für Beitragsverschwendung sind: Werbung für per Dekret zwangsbeigetriebene Beiträge lässt sich mit der Sensibilität eines katholischen Priesters vergleichen, der eine Vergewaltigte damit trösten will, sie sei ja jetzt immerhin schwanger und Kinder wären doch was Schönes.

Es mag jetzt zwar ein Geschrei bei den Deutschsprachlern in Belgien geben, bleibt die Frage, wie viele eine Online-Petition zeichnen würden, wenn damit verknüpfen wäre, dass dann postwendend ein Rundfunkbeitragsbescheid des „Beitrags­service“ ins Haus flattert. Immerhin steht im Rund­funk­beitrags­gesetz keine Einschränkung auf „deutsche Haushalte“. Vielmehr steht da „pro Haushalt“. Es könnte zwar etwas schwieriger sein, das im Ausland durchzusetzen, aber die öffentlich-rechtlichen sind ja bekennenderweise (s. Werbespots) schmerzbefreit. Da die Neuregelung die Einzugsquote an die 100%-Marke treibt, sind die europäischen Nachbarn sicherlich erste Wahl in den feuchten Träumen der Beitragsmaximierer in Köln.

Einzig die Frage, wie man damit umgehen müsste, wenn Angela anruft und das Verramschen der Qualitätsware bei den belgischen Nachbarn fordert. Denn das wird dann zur doppelten Zwickmühle. Einerseits: Wo kommen wir den hin, wenn die Politik offensichtliche Anweisungen geben kann? Bei Redakteuren mag das ja noch angehen, aber spätestens beim Geld hört es auf. Andererseits: Sollte man sich dann mit einem Rückwärtssalto auf seinen Auftrag besinnen, dass es ja gerade um Minderheiten geht, die mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Stimme erhalten sollen, wird es richtig kompliziert. Denn von „Minderheitenrabatt“ steht nichts im Beitragsgesetz. Das ist mühsam erkämpft und mit intensiver Lobby-Arbeit gegen jedwede Vergünstigungen abgesichert. Da klein beigeben, könnte einen Dammbruch auslösen.

Am Ende könnten beispielsweise zugereiste Norddeutsche in München oder Stuttgart auf die Idee kommen, dass sie gleichermaßen eine (hoch-)deutschsprachige Minderheit hinter dem Weißwurst- bzw. Spätzle-Äquator sind, und dafür alle zusammen auch nur 0,5 Millionen im Jahr zahlen wollen. Allein für 10.000 Neumünchner wäre das ein Rabatt von rund 75% im Jahr. Das hätte zwar keinerlei juristische Chance, würde jedoch eine Diskussion lostreten, die von den öffentlich-rechtlichten Umsatzüberwachern nicht gewünscht sein kann. Denn das könnte ausgehen wie mit der Flomborner Sau. Wenn das „Lebendgewicht“ — also die angebotene Qualität des Programms — auf den Prüfstand kommt und Maßstab für die Gebühren wird, würde das zwar wahrscheinlich nicht griechisch mit Abschaltung enden, ob die 18 EUR monatlich pro Haushalt und die Zusatzforderungen gegen Unternehmen, Hotels, Fahrzeuge, etc. weiterhin haltbar wären, darf jedoch angezweifelt werden. Womöglich hätte man dann jedoch mit einer exponierten Position als Anbieter deutschsprachigen Rundfunks im Ausland wieder mehr Feingefühl bei Preisverhandlungen. Allein weil die eigenen „Wert-Schätung“ sich wieder an der Realität orientiert.

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