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Sparen an der Kultur
Das ZDF muss sparen. Soweit, so gut. Dass die Sparmaßnahmen ausgerechnet den Kultur-Kanal treffen, entspricht der Wahrnehmung, dass es dem ZDF nicht mehr um den im Rundfunkstaatsvertrag festgelegten Auftrag geht, sondern um Quote.
Zugegeben. ZDFkultur ist was sehr „Nischiges“. Allerdings ist das der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für die Gruppen der Bevölkerung ein Angebot schaffen, die im Mainstream keine Chance haben. Da ist ZDFkultur eine Speerspitze. Wobei das ZDF mit ZDFneo wohl eine neue, viel wichtiger Minderheit bei sich ausgemacht hat: Die Jugend. Oder besser: Alles unter 55. Also die Beitragszahler für die nächsten 20, 30 Jahre.
Ob man die mit Endlosschleifen oder zeitversetztem Senden von Filmen begeistern kann, darf zumindest angezweifelt werden. Interessanterweise fallen gerade die spannenden Formate des ZDF, die dem Sendeauftrag des Nischenprogramms Leben einhauchten, vermutlich dem Rotstift zum Opfer. Es hat schon was Abartiges, wenn bei Spartensendern die Quote als Maß genommen wird. Was beim ZDF augenscheinlich keiner wahr haben will: Wer seine Zuschauer über Jahrzehnte auf Volksmusik konditioniert, sollte den anderen Formaten ebenfalls ein wenig Zeit geben, bis jeder den Schuss gehört hat.
Das Selektionsverhalten der öffentlich-rechtlichen Sender bekommt langsam anachronistische Züge: Die Privatsender kümmern sich um die „Randsportarten“, weil für die Publikumsmagnete zu immer absurderen Summen die Übertragungsrechte von ARD und ZDF erworben werden. Und wenn RTL wieder von der Formel 1 berichtet, hängt sich das ZDF dran und reduziert seine Informationspflicht – soweit es die für Sportereignisse gibt – auf die massenkompatiblen Elemente. Quote ist wohl selbst bei den Nachrichten mittlerweile das Maß der Dinge. Inhalt egal, Hauptsache viele haben es gesehen. Wir dürfen gespannt sein, wann Inge Niedeck bei der Wetteransage durch eine blutjunge Vollblondine ersetzt wird, die bei der Vorhersage passende Kleidung anhat. Kalt = Winterschuhe, warm = Fußkettchen. Und zwar jeweils nur das Genannte. Da muss man kein Prophet sein, was die Quote angeht.
Wer auf Kultur verzichten kann, der hat mutmaßlich auch kein Problem, wenn mit nackter Haut die Quote steigt. Berlusconi hat es in Italien vorgemacht. Wir müssen uns nur an das RTL-Erfolgsformat „Tutti-Frutti“ erinnern und es ist absehbar, wohin die Reise geht. Worüber wir momentan im Urlaub beim lokalen Fernsehprogramm noch lachen oder ungläubig den Kopf schütteln, wird bei der angestrebten Umschichtung des öffentlich-rechtlichen Programms vorhersehbar demnächst auch in Deutschland das sein, was man aushalten muss. Oder man schaltet dann um auf die Privatsender. Da findet — in einem zugegebenermaßen überschaubaren Rahmen — eine gegenläufige Entwicklung statt.
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